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Pullman City - Die lebende Westernstand - Eging am See/Passau

Interview mit Textbuchautor und Regisseur Mike Dietrich ...

Die Karl-May-Spiele Bayern sind auf Erfolgskurs. Fünf Jahre ist es her, seit Mike Dietrich und Ivica/Ivi Zdravkovic  das Projekt angeschoben haben, und so ist die neue Saison rund um „Die Legende vom Schatz im Silbersee“ gleichzeitig ein kleines Jubiläum. Organisator und Macher Mike Dietrich trägt als Regisseur und Textbuchautor die Verantwortung für den Gesamtbereich. An die Anfänge kann er sich noch gut erinnern, als sich Pullman Citys Geschäftsleitung für sein Konzept zur Gründung der Karl-May-Spiele begeisterte und sieht sich heute, aufgrund der stetig steigenden Zuschauerzahlen darin bestätigt, dass es genau richtig und wichtig war, sie in der Westernstadt zu platzieren. Was für ihn noch immer den Reiz ausmacht, was den Besucher dieses Jahr erwartet und was alles dazugehört, eine solche Inszenierung auf die Beine zu stellen, das fragen wir ihn am besten selbst.

Also, Mike, 5 Jahre Karl-May-Spiele in Pullman City. Wird's langweilig oder was reizt dich noch immer daran, ein solches Wild-West-Abenteuer zu inszenieren?
Da wir jedes Jahr ein neues Karl-May-Abenteuer aufführen, kann gar keine Langeweile aufkommen (lacht). Es ist die Herausforderung, die mich reizt. Welche Musik nehme ich? Wie soll der Erzähler klingen? Wie kommt das Stück an? Es macht einfach Spaß, nicht nur eine Geschichte frei nach Karl May zu schreiben, sondern sie dann auch als Regisseur so umzusetzen, dass die Besucher begeistert sind.

Dass dir das gelingt, zeigen die jährlich steigenden Zuschauerzahlen. Hat sich etwas aus deiner Sicht seit damals auch eher nachteilig entwickelt?
Nachteilig nein. Ich hätte bei der Orga und Umsetzung noch ein paar Ideen, die ich auch in meinem Konzept beschrieben habe. Aber diese ergeben sich aufgrund der Erfahrung und werden intern besprochen.

May's „Der Schatz im Silbersee“ ist eine wirklich spannende Romanvorlage. Verheißungsvoll, denn wir wissen ja, dass du dich mit dem Textbuch sehr eng an die Bücher hältst.
(Grinst vielsagend) Stimmt. Zudem ist es einer meiner Lieblingsromane, übrigens eine von Mays Jugenderzählungen. Das erkennt man daran, dass er im Gegensatz zu seinen späteren Werken noch nicht in der Ich-Form schreibt. „Der Schatz im Silbersee“ bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten. Er ist eine Ansammlung vieler kleinerer und größerer Geschichten. Um den Schatz geht es dabei erst am Ende des Buches und auch Winnetou und Old Shatterhand treten eigentlich erst im 2. Teil auf.

Das klingt kompliziert. Worin lagen also die Herausforderungen an diesem Textbuch?
Wie gesagt, musste ich mir erst mal überlegen, welchen Teil des Buches ich umsetzen möchte und dann, welche Charaktere auftauchen sollen. May erwähnt neben Winnetou und Old Shatterhand auch Old Firehand, nebst einige skurrile Westmänner wie Tante Droll, Hobble Frank und Lord Castlepool, die die Handlung durch lustige Szenen auflockern. Ich habe mich für Sam Hawkens und Lord Castlepool entschieden. Old Firehand habe ich in mein Textbuch nicht aufgenommen. Es wären sonst einfach zu viele Akteure für die kurze, uns zur Verfügung stehende Spieldauer. Schließlich soll jeder genug Raum haben, seine Rolle auch vernünftig ausgestalten zu können.  

Der Roman enthält einige drastische Gewaltschilderungen. Wie siehst und löst du das?
Sehr gut recherchiert! Wir dürfen nicht vergessen, dass sich die Karl-May-Spiele hier in einem Erlebnispark für die ganze Familie befinden. Aber wir wollen auch nichts verharmlosen, banalisieren oder beschönigen. Letztendlich soll das Theaterstück erstens die Zeit des Wilden Westens darstellen und zweitens Mays Werke halbwegs im Geiste widerspiegeln. Wir haben uns daher für ein gesundes Mittelmaß entschieden, damit die Story ihre Dynamik und Glaubhaftigkeit nicht einbüßt, gleichzeitig aber auch Kinder tauglich ist. Erinnert euch an die letzte Saison, als wir bei „Winnetou I“ den Tod von Nscho-tschi, Intschu-tschuna und Klekih-petra gezeigt haben – Alles wohl dosiert und immer auch genügend Momente zum Lachen. Das ist ganz wichtig.

Wie gehst du an eine Inszenierung heran?
Die Stückauswahl treffe ich in Absprache mit der Geschäftsleitung ungefähr 1 Jahr vor Aufführung. Bevor das Textbuch geschrieben wird, fertige ich etwa im Oktober ein Konzept für die Chefs an, das neben einer kurzen Stückinhaltsangabe auch eine Aufzählung sämtlicher Punkte enthält, die für die kommende Saison relevant sind. Welche Kostüme werden z.B. benötigt? Welche und wie viele Waffen? Der Kulissenbau, die Requisiten, die Tiere. Auf was muss geachtet achten? Welche Erfahrungen haben wir im letzten Jahr gemacht? Planung von Licht- und Tontechnik, der Pyrotechnik usw.

Eine Menge Punkte…
Tatsächlich umfasst das Konzept jedes Jahr einige Seiten (lacht).
Dann lese ich die Romanvorlage. Dabei mache ich mir jede Menge Notizen und klebe Zettelchen in das Buch bei Szenen, die ich später im Stück gern umsetzen würde. Anschließend erstelle ich eine Kartei mit allen Charakteren, die im Stück zu sehen sein sollen. Und dann kommt der Moment des Schreibens - Ein besonderer Moment...
Nachdem das Textbuch fertig ist, treffe und bespreche ich mich mit meinen Gewerken: Pyrotechnik, Schneiderei, Requisite, Lichttechnik, Bauhof, Stunt…
Darauf folgt das Schauspielercasting, ein paar Wochen später dann das der Statisten, nebst Auswahl. Das Bürokratische dazu erledigt die Personalabteilung von Pullman City, während ich selbst mich auf die Suche nach passender Musik mache, die später die einzelnen Szenen untermalen wird. Eine zeitraubende und unglaublich intensive Arbeit.
Parallel dazu werden die Erzählersequenzen aufgenommen, auch in diesem Jahr wieder von meinem lieben Gordon Piedesack gesprochen. Die fertigen Takes mische ich dann unter die Musik.
Wenn vonseiten Pullman Citys alles mit den Akteuren geklärt ist und die Verträge unterschrieben sind, erhalte ich von der Personalabteilung eine Auflistung aller Mitwirkenden. Eine Arbeit, die ich ebenfalls gern schon im Vorfeld mache, ist die Einteilung der Komparsen. Heißt: jeden von ihnen teile ich noch vor Probenbeginn einzelnen Szenen zu. Das verschafft mir später Zeit und jeder weiß von Anfang an, wann und wo er gebraucht wird, kleinere Änderungen natürlich ausgeschlossen.
Die aktive Probenzeit beginnt Anfang Mai. Ich starte in der Regel mit einem Treffen des gesamten Ensembles, auf dem ich mein Team auf die kommende Saison einschwöre. Dabei erhalten die Komparsen dann auch ihren persönlichen Szenen- und Probenplan. In der ersten Woche sind die Darsteller und ich unter uns. Gleich zu Beginn treffen wir uns zu einer Leseprobe, auf der ich sehe, wie sich jeder von ihnen seine Rolle vorgestellt hat. Sie haben das Textbuch mit Vertragsabschluss erhalten und sich bis zu diesem Tag entsprechend vorbereitet. In Einzelgesprächen vermittle ich anschließend meine eigenen Vorstellungen.
In der folgenden Woche kommen die Komparsen dazu. Von nun an wird täglich ab den frühen Abendstunden mit dem gesamten Team geprobt. Szene für Szene nähern wir uns dabei der kompletten Inszenierung. Ebenso wie mit den Akteuren auf der Bühne, muss ich auch mit der Technik üben. Meine ausgewählten Musikstücke werden übertragen und gegebenenfalls in der Länge angepasst, das Licht wird programmiert und die Microports den einzelnen Darstellern zugeteilt und eingestellt. Etwas später folgen dann auch die Kollegen der Pyrotechnik mit Aufbau, Möglichkeiten und Risikofaktoren. Relativ früh erfolgt auch das Schusstraining für die Tiere. Tänze und Stunts sind im Vorfeld choreografiert worden und müssen nun begutachtet und trainiert werden. Reitszenen werden gestellt und vieles mehr. Also ab dem 1. Probentag habe ich auch in Pullman City als Regisseur alle Hände voll zu tun. Besonders spannend wird’s dann vor der Premiere

Spannend ist das richtige Wort für das, was du leistest. Sicher eine unglaublich intensive Arbeit.
Genau auf den Punkt gebracht, ja (lacht). Der Lohn sind dann der Applaus und glückliche Menschen, die für eine kurze Zeit die Probleme da draußen vergessen und mit einem Lächeln nach Hause gehen.

Wie groß ist das Ensemble?
Ich habe die Verantwortung für ein ca. 90-köpfiges Karl-May-Team. Rund 70 Komparsen, einige Schauspieler, Pyrotechniker und viele mehr.

Wie schaffst du es immer wieder, alle als ein Team zusammenzuhalten? Schließlich wollen jedes Jahr fast alle wieder dabei sein.
Das werde ich oft gefragt (lacht). Es ist vielleicht meine Art, mit Menschen umzugehen. Während meiner selbständigen Tätigkeit als Unternehmer, habe ich viel über Menschenführung gelernt und später selbst darüber referiert. Grundsätzlich gilt: Jeder im Team ist wichtig, egal auf welcher Position! Ohne Komparsen funktionieren die Szenen nicht. Ohne die Pferde-Orga gäbe es keine Angriffe. Ohne die liebe Hilfe und Mitarbeit im Backstagebereich wäre die Aufführung der Karl-May-Spiele unmöglich. Jeder ist für jeden da. Ein Team. Eine Familie! Das vermittle ich jedem Teammitglied und habe auch für jeden ein offenes Ohr.

Du hast ja auch selbst schon als Schauspieler auf der Bühne gestanden. Vermisst du das manchmal?
Aber ja! Es ist eine besondere aber auch schöne Herausforderung, eine Rolle auf einer so tollen Bühne zu spielen. Allerdings sehe ich auch, dass mein aktuelles Arbeitspensum keine Möglichkeit zulässt, mich noch zusätzlich in eine Rolle einzuspielen. Dennoch bin ich immer mit dem Herzen dabei. Ich stelle mir sehr oft vor, wie ich diese oder jene Rolle gespielt hätte.

Kennt denn auch ein Regisseur Lampenfieber? Wie gehst du damit und mit Stresssituationen im Allgemeinen um?
Lampenfieber gehört dazu! Ohne Lampenfieber würde ich irgendetwas falsch machen und eventuell auch eine fehlende Einstellung zum Theater haben. Stresssituationen sind hier im Grunde die Regel, gelassen dabei zu bleiben ist harte Arbeit (lacht). Aber aufgrund der jahrelangen Erfahrung weiß ich, wie ich in solchen Momenten die richtige Einstellung finde.

Wie entspannst du generell?
Ich lese viel und gehe Wandern, sitze aber auch gerne mal vor der Spielkonsole (grinst).

Du inszenierst ein Action-Spektakel. Brauchst du privat auch Action oder magst du es eher ruhiger?
Nein, da bin ich eher der Ruhige. Ich mag keine großen Feiern oder Partys.

Gibt es noch mehr, was du nicht magst an Dingen, Situationen und Menschen, und was magst du im Gegensatz dazu?
Bei Ungerechtigkeit, Unehrlichkeit oder Egoismus, werde ich schnell ungehalten. Ehrlichkeit und Harmonie bedeuten mir dagegen viel.

Hast du eine Macke?
Ich will alles organisiert und geplant haben. Auch Sauberkeit ist mir sehr wichtig. Ich kann nicht in Ruhe an einem Schreibtisch arbeiten, wenn der Arbeitsplatz oder der Raum unsauber ist.

Hast du Hobbys?
Ich male auch sehr gern.

Pullman City ist ein Freizeitpark für Familien. Du bist selbst Vater von vier Kindern und hast auch schon zwei Enkel. Was bedeuten dir Kinder und Familie?
Familie ist das Allerwichtigste. Ich glaube, für seine Kinder tut man alles. Solange man nicht grundlegend enttäuscht wird, ist der familiäre Zusammenhalt die wichtigste Festung im Leben.

Kinder lieben es, Indianer und Cowboy zu spielen oder sich als solche zum Fasching zu verkleiden. In der Presse taucht immer mal wieder die Frage auf, ob so etwas ethisch korrekt ist. Wie siehst du das?
Es gibt leider immer "Leute", die sich unbedingt zu Wort melden müssen. Die ganze Diskussion empfinde ich als unglaublich einfältig. "Kulturelle Aneignung" gibt es genaugenommen gar nicht. Das ist eine Erfindung von Personen, die wohl zurück ins Spießbürgertum wollen, in dem staatliche Gemeinschaften sich isolieren und jeglichen intensiven Kontakt zu anderen Völkern vermeiden. Schon wenn ich eine fremde Sprache lerne, begehe ich "kulturelle Aneignung". Ich trage Jeans, T-Shirts und zumindest hier in der Westernstadt Cowboy-Boots - alles Kulturdiebstahl. Ich werde weiter "kulturelle Aneignung" betreiben, weil ich weiß, das ich damit der indianischen Kultur helfe, ihre Lebensart zu erhalten. Kultur lebt durch Austausch. Die Indianer bleiben Indianer, weil sie es selbst so wollen und sich selbst auch so nennen. Sie brauchen keine weißen Menschen, die ihnen erzählen, wie sie sich zu nennen und zu sehen haben. Sie sind stolz auf ihre Herkunft, auf ihre Geschichte, auf ihre Kultur – Zurecht. Was sie als Letztes brauchen, sind neue Kulturmissionare, Sprachpolizisten und "große weiße Väter", die ihnen die Welt erklären. Mit unseren Karl-May-Spielen vermitteln wir die Einstellung und den Umgang der Indianer mit der Natur. Wir vermitteln Menschenrechte und Naturverbundenheit. Dabei ist zumindest mir das Gerede der Möchtegern-Pioniere völlig egal.

Deutliche Worte. Wenn du drei Wünsche frei hättest welche wären das?
Gesundheit. Glück. Freiheit.

Schlussendlich: Was erwartet also den Besucher der Karl-May-Spiele in diesem Jahr?
„Die Legende vom Schatz im Silbersee“ wird eine aufregende, spannende Achterbahnfahrt der Gefühle. Große Explosionen, 25 Pferde, freilaufende Bisons, sowie ein Raubvogel entführen uns in die Abenteuerwelt Karl Mays. Das Ganze mit einer wichtigen Botschaft gekrönt: Naturverbundenheit und Menschenrechte.

Fünf Personen sitzen an einem Tisch mit Büchern
Fünf Personen stehen im Schnee
Ein Mann zeigt einer Frau etwas auf einem Blatt
Mann hält eine Rede
Vier Menschen stehen vor einem Plakat der Westernstadt Pullman City
Zwei Personen auf einer Bühne