Zurück
Pullman City - Die lebende Westernstand - Eging am See/Passau
Der Wilde Westen, der bekanntlich gleich hinter dem Luftkurort am Rohrbachsee anfängt, übt eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Neben unzähligen Touristen und Hobbyisten, die alljährlich in Pullman City einfallen, zieht es plötzlich auch Cowboys und Indianer mit schauspielerischen Ambitionen in die Westernstadt. Der Grund: Winnetou, weltberühmter Apachen-Häuptling aus Karl Mays legendären Romanen, ruft – mit einer neu- und in der Region einzigartigen Show. Von einer Rolle darin träumt auch die Passauerin Julie mit ihren langen schwarzen Zöpfen. „Mal schauen“, sagt sie mit verschmitztem Lächeln. Die 39-Jährige, verheiratete Mutter eines Buben (10), scheint gerade geboren zu sein für die Verkörperung einer Indianerin. Einen ganzen Stamm davon suchen „Winnetou“ Ivica Zdravkovic, der dem unvergessenen Hauptdarsteller in den Karl-May-Verfilmungen zum Verwechseln ähnlich sieht, und Mike Dietrich, Textbuch-Autor und Regisseur der ab Mai in Pullman City zu sehenden 45-Minuten-Show „Winnetou und der Fluch des Goldes“. Auch Stadtbewohnern und Banditen gilt das steckbriefartige „Wanted“ der Macher hinter den Kulissen zusammen mit dem gesamten Pullman City-Team, allen voran die „Sheriffs“ Claus Six und Ernst Grünberger sowie Show-Manager und -Moderator Deddy Jeschke.
Aber wie geeignete Personen, oder besser Typen, finden, ohne sie irgendwo in Wild-West-Manier zu stehlen? Ein Casting ausloben, das ist die Lösung – ganz zwanglos und locker, ohne Voranmeldung. „Wir haben bis kurz vor Beginn nicht gewusst, wie viele kommen, oder ob überhaupt“, gesteht der geschäftsführende Westernstadt-Geschäftsführer Six. Umso mehr überrascht sind er und sein Kompagnon Grünberger von der starken Resonanz. Weit über 30 Bewerber stehen schließlich Schlange an den drei Stationen: Registrierung mit Fotos, Vorstellungsgespräch mit erster Klärung auch organisatorischer Details und Eignungstest bei einer fingierten Saloon-Rangelei mit fliegenden Fäusten – „was normal gar nicht zu uns passt“, so Gastgeber Claus Six. Eher eine von der friedliebenden Sorte ist auch Julie – allein schon von Berufs wegen. Die hübsche Passauerin mit Familiennamen Fuchs arbeitet als Pflegeassistentin am Klinikum der Dreiflüssestadt. Woher ihr leicht indianisch anmutendes Erscheinungsbild stammt, erklärt sie kurz und prägnant: „Ich bin eine Tschechin mit Zigeuner-Blut.“ Ihre Eltern haben entsprechende Wurzeln, fügt die im rund 300 Straßenkilometer entfernten Kraslice geborene Wahl-Niederbayerin hinzu, die seit 22 Jahren in Passau lebt und auch den örtlichen Dialekt schon nahezu perfekt beherrscht. „Mei Mann hat sich scho g’freit“, bekundet sie zu den Reaktionen zuhause auf ihre erste Casting-Teilnahme. Die klare Präferenz des Pullman-Fans: „Ich will bei den Indianern sein.“ Ihr Profil: „I kann ois außer reiten.“
Ohne Einschränkung trifft diese Aussage auf „Winnetou“ zu, der mit den Rollen-Aspiranten die Schlägerei-Szene probt. Ivi, wie der Profi-Stuntman und Schauspieler am liebsten genannt werden möchte, ist aus unzähligen waghalsigen Nummern in TV-Action-Serien und Shows bekannt, unter anderem durch die Weltpremiere als brennender Bungee-Jumper in Holland. Auch mit einem als urgefährlich verschrienen Tier hat der gebürtige Westfale – seine Eltern sind Gastarbeiter aus Ex-Jugoslawien – schon auf der Bühne gearbeitet, quasi als der mit dem Wolf kuschelt. Seine Stunt-Devise: „99 Prozent ist sicher. Wer hundert Prozent sagt, der lügt.“ Die Vorliebe des 41-Jährigen sind Feuerstunts – obwohl er sich buchstäblich schon mal arg die Finger verbrannt hat.

Regisseur und Gastgeber von vielen motivierten Laien begeistert

An Pyrotechnik wird es auch bei der Winnetou-Show mit Premiere am 11. Mai und insgesamt rund 50 Aufführungen vor spektakulärer Kulisse in Pullman City nicht mangeln. Allein aus dem enormen Zuspruch für das Casting folgert Geschäftsführer Claus Six, dass Karl May ideal zur Westernstadt passt. „Ich bin voll überzeugt, dass das funktioniert“, unterstreicht er. Der Regisseur pflichtet ihm kopfnickend bei. „Viele Bewerber können die Spielsaison durchgehen, viele kommen ganz aus der Nähe“, lautet die Zwischenbilanz von Mike Dietrich, der mit Hauptdarsteller Ivi wiederholt bei den Karl-May-Festspielen im baden-württembergischen Burgrieden erfolgreich zusammengearbeitet hat. „Ich bin total zufrieden“, fasst der Spielleiter den Vorstellungsmarathon zusammen. In das aufwendig konzipierte Kulissengebäude steckt die Pullman-City-Crew den Löwenanteil der Investitionen, die laut Claus Six mit einem Gesamtvolumen von 900.000 Euro in diesem Jahr anstehen. Darüber hinaus wird es neue Spielplätze und einen Kletterpark geben. Und das wichtigste für den geschäftsführenden Gesellschafter: „Alle Aufträge – mit Ausnahme des großen Felsens für die Winnetou-Show – gehen an Firmen im Umkreis.“ Während die Baufachleute und Handwerker anrücken, wird ebenso bei den Proben zum Stück „Winnetou und der Fluch des Goldes“ viel Schweiß fließen. Am 1. April geht’s los – vielleicht auch für das weibliche Greenhorn Julie als Indianerin im Wigwam am Fuße des Bayerischen Waldes. Das „Howgh“ für die Auswahl folgt die Tage.