„Segne uns der allmächtige Gott. Amen. So, und jetzt lassen wir es krachen“- mit diesen oder ähnlichen Worten bittet Pfarrer Alfred Binder (48) jedes Jahr zum Saisonstart um Schutz für die Westernstadt. „Manche Showeinlagen und Tricks sind für das Showteam riskant. Wo Tiere im Spiel sind, kann es zu unvorhersehbaren Situationen kommen“, erklärt der katholische Gottesmann aus Künzing, der seit der Westernstadt-Eröffnung 1997 immer wieder kommt. Wenn er im August Urlaub hat, verbringt er vier Wochen komplett in Pullman City, sonntags hält er Gottesdienste in der St. Joseph's Church. Im Authentikbereich hat er sich wie die anderen „Hobbyisten“ aus Nah und Fern eine Holzhütte gebaut, um in seiner Freizeit die Geschichte Amerikas zwischen 1740 und 1860 nachzuempfinden. Ohne Strom und fließend Wasser. Und ohne Handy-Empfang. „Da entschleunige ich automatisch“, sagt Pfarrer Binder, „sich in der Früh einen Kaffee zu machen, dauert viel länger, wenn man erst Wasser holen und Feuer machen muss.“
Aufgewachsen in Hutthurm mit den Haflingern und den Karl May-Büchern seines Vaters, hatte Alfred Binder schon früh ein Faible für den Wilden Westen. An Pullman City fasziniert ihn die „tiefere Dimension“: „Wer über Nacht bleibt, sich wo dazu setzt und sich mit den Menschen unterhält, der merkt, dass es eine neue Situation ist. Hier fragt dich keiner, was du arbeitest. Die gesellschaftlichen Schichten mischen sich. Es ist total wurscht, was man draußen macht. Hier spinnt jeder, wie er mag. Das hat hier seinen Platz.“
Natürlich sind viele Besucher erstaunt, wenn sie merken, dass Alfred Binder eben nicht „spinnt“, sondern tatsächlich katholischer Pfarrer ist. Doch aus ihren unverbindlichen Fragen entstehen immer wieder ehrliche Gespräche über Gott. „Hier herrscht eine offene Atmosphäre, deshalb erleben viele Menschen Pullman City als Heimat, als einen Ort, an dem sie zu sich selbst kommen“, sagt Alfred Binder, „das ist der Anfang von Spiritualität.“